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Warum Overlay Tools keine Lösung für digitale Barrierefreiheit sind

Quelle: pixabay

Digitale Barrierefreiheit ist Pflicht

Digitale Barrierefreiheit ist mehr als eine gute Geste – sie ist gesetzlich vorgeschrieben. Spätestens seit Inkrafttreten des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes (BFSG) ist klar: Digitale Angebote müssen für alle Menschen zugänglich sein, unabhängig von Einschränkungen. Das betrifft auch Websites und Buchungsplattformen im Tourismusbereich.

Was sind Overlay Tools?

Overlay Tools (auf Deutsch: Überlagerungswerkzeuge) sind Softwarelösungen, die auf bestehende Websites „aufgesetzt“ werden. Sie versprechen, Barrieren mit wenigen Klicks zu beseitigen – beispielsweise durch Kontrasteinstellungen, Vorlesefunktionen oder Schriftvergrößerungen. Diese Tools sind häufig schnell implementiert und wirken auf den ersten Blick hilfreich.

Vielversprechende Werbeversprechen – aber keine nachhaltige Lösung

Aktuell erleben viele Tourismusakteure, dass Webagenturen oder spezialisierte Anbieter ihnen Overlay Tools als einfache Lösung für digitale Barrierefreiheit empfehlen. Die Versprechen klingen verlockend: „In wenigen Minuten barrierefrei“, „100 % gesetzeskonform“, „ohne Änderungen an Ihrer Website“.

Bekannte Tools sind zum Beispiel:

  • Eyable
  • accessiBe
  • UserWay
  • EqualWeb
  • AudioEye

Diese Tools lassen sich per JavaScript in die Website einbinden und bieten eine Nutzeroberfläche, mit der beispielsweise Kontraste angepasst, Schriftgrößen verändert oder Inhalte vorgelesen werden können.

Was Overlay Tools (nicht) leisten

Overlay Tools arbeiten „oberflächlich“: Sie setzen auf die bestehende Website auf, verändern aber nicht den zugrunde liegenden Code oder die Struktur. Die wichtigsten Probleme:

  • Nur scheinbare Barrierefreiheit: Overlay Tools verbessern oft nur die Oberfläche, beheben aber nicht die strukturellen Barrieren im Code. Overlays funktionieren in der Regel nur für Websites, die über den Browser bedient werden. Aber die Mehrheit der User nutzt Websites inzwischen über mobile Endgeräte, so dass eine barrierefreie und responsive Programmierung einer Website mehr Sinn macht.
  • Eingeschränkte Nutzerfreundlichkeit: Viele Menschen mit Behinderungen nutzen eigene Hilfsmittel, etwa Screenreader. Overlay Tools können deren Nutzung stören oder sogar blockieren.
  • Rechtliche Unsicherheit: Die Nutzung von Overlay Tools entbindet nicht von der Pflicht zur echten Barrierefreiheit. Webseitenbetreiber riskieren Abmahnungen und Klagen, wenn ihre Angebote weiterhin nicht barrierefrei sind.
  • Mangelnde Nachhaltigkeit: Die Tools sind häufig nicht zukunftssicher und bergen Risiken bei der Weiterentwicklung oder Wartung.

Nachhaltige Barrierefreiheit statt schneller Pflasterlösungen

Statt auf scheinbar einfache Tools zu setzen, sollten touristische Anbieter auf strukturelle digitale Barrierefreiheit achten. Dazu gehören:

  • Barrierefreie Gestaltung bereits in der Konzeptionsphase
  • Technische Umsetzung nach anerkannten Standards, wie den WCAG (Web Content Accessibility Guidelines)
  • Einsatz qualifizierter Fachkräfte und barrierefreier Content-Management-Systeme
  • Tests mit Betroffenen und regelmäßige Evaluation

Tipps für die Zusammenarbeit mit Webagenturen

Wer eine neue Website plant oder eine bestehende überarbeiten lässt, sollte digitale Barrierefreiheit frühzeitig im Projekt mitdenken – und verbindlich in die Anforderungen an die Agentur aufnehmen. Dabei helfen folgende Hinweise:

  • Barrierefreiheit als fester Bestandteil im Pflichtenheft definieren (z. B. Umsetzung nach WCAG 2.1 – mindestens Konformitätsstufe AA).
  • Referenzen prüfen: Hat die Agentur bereits barrierefreie Webprojekte umgesetzt?
  • Nachweise und Tests anfordern: Können Tools wie WAVE, axe oder der BITV-Test zur Qualitätskontrolle genutzt werden?
  • Schulungen und Beratung: Verfügt die Agentur über Know-how zu barrierefreiem Design, barrierefreien Formularen, Alternativtexten, Tastaturbedienung etc.?
  • Pflege und Redaktion mitdenken: Auch redaktionelle Inhalte (z. B. Alternativtexte, einfache Sprache, Strukturierung mit Überschriften) spielen eine wichtige Rolle.
  • Testen lassen: Möglichst schon im Entwicklungsprozess mit Nutzenden mit Einschränkungen testen – das erhöht die Qualität und spart spätere Korrekturen.

Transparenz: Das Tourismusnetzwerk Thüringen nutzt Werkzeuge zur Verbesserung der Barrierefreiheit

Im Tourismusnetzwerk wurde im vergangenen Jahr eine Werkzeugleiste zur Verbesserung der Nutzerfreundlichkeit implementiert. Sie ist im System verankert und wurde nicht “über die Webseite gelegt”. Daher ist diese Werkzeugleiste nicht gleichzusetzen mit den Lösungen von Overlay-Anbietern. Darüber hinaus wurden noch zahlreiche weitere Anpassungen am Template vorgenommen, um die digitale Barrierefreiheit zur verbessern. Dazu zählen u.a.: 

  • Implementierung von Alternativattributen für Bedienelemente
  • Tastaturbedienbarkeit – gilt auch für die Werkzeugleiste
  • Überarbeitung von Formularen 

Es wird auch weiter aktiv daran gearbeitet, langfristig strukturierte Verbesserungen umzusetzen und bekannte Schwächen zu beheben. Transparenz ist uns dabei wichtig – denn digitale Barrierefreiheit ist ein Prozess, kein Schalter.

Links und Hintergründe zum Einsatz von Overlay Tools:



Autorin: Peggy Fauß
Thüringer Tourismus GmbH
Innovation & Qualität | Reisen für Alle
E-Mail: p.fauss@thueringen-entdecken.de
Telefon: +49 361 3742245
Telefax: +49 361 3742299
BEITRAG VOM:
10. April 2025

Kategorien:
Barrierefrei · Digitales & Content · Digitalisierung · Rechtliches · TTG


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