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Ergebnisse des Destinationstages: 6. Willkommenskultur in Zeiten des Rechtsrucks

©Quelle: TTG

Der gesellschaftliche Rechtsruck ist ein Fakt von europäischer Dimension. Trotzdem bedeutet er für die mitteldeutschen Bundesländer und für Thüringen insbesondere eine große Herausforderung für den Tourismus vor Ort und die touristischen Akteure. Wie gehen wir mit dieser Herausforderung proaktiv und nicht reaktiv um?

Nein, ultimative Lösungen oder eine Checkliste konnte Andreas Reiter vom ZTB Zukunftsbüro nicht präsentieren. Stattdessen sprach er in seinem Vortrag „Krisenkommunikation in Zeiten des Rechtsrucks“ über die enormen Herausforderungen und Veränderungen, die uns aktuell begleiten. Transformationen, so Reiter, erfordern, dass wir bisherige Ziele, Strategien und Verhaltensmuster ändern. Reiter plädiert dafür, den multiplen Umbrüchen unserer Zeit Resilienz, den Ängsten Empathie, der vermeintlichen Ohnmacht eine gehörige Portion Mitgestaltung entgegenzusetzen.

Auf die Frage, wie kommen wir aus reaktiven in proaktive Verhaltensmuster, hat Reiter sieben Ansätze.

  1. Entlang der Customer Journey Pain & Pleasure Points identifizieren. (Die Kontaktpunkte mit der größten Hebelwirkung herausarbeiten und entsprechende Kommunikationsmaßnahmen entwickeln)
  2. Tourismus-Akzeptanz messen: Dashboard mit Kennzahlen aufbauen und permanentes Monitoring betreiben
  3. Tourismus-Akzeptanz steigern: Tourismus bedeutet immer Austausch von Innen & Außen/ von Einheimischen & „Fremden“/ von Mitarbeitenden & Gästen
  4. Vorausschauende Krisen-Kommunikation: Hier setzt Reiter auf die KI
  5. Beteiligungsformate in Kommunen verankern und Binnen-Kommunikation (Reiter nennt politische Beteiligungsformate, Beteiligung am lokalen/ regionalen Geschehen kann selbstverständlich auch auf anderen Ebenen für den Tourismus gewinnbringend sein)
  6. Kraftvolles positives Zukunfts-Narrativ
  7. Image-Kampagne: Sie sollte mehr sein als ein Bekenntnis zu Weltoffenes Thüringen (obwohl das ein erster, sehr guter Anfang ist) und aufbauen auf der historischen Weltoffenheit und DNA Thüringens.

Schauen wir doch mal, wie man es machen kann.

Wie es gehen kann, erklärte Reiter am Beispiel Wiens. Die strategische Ausrichtung der österreichischen Hauptstadt setzt auf konsequente Visitor Economy und hat für sich drei Grundwerte definiert: Premium, Cosmopolitan & Digital.

Visitor Economy Strategie 2025 – b2b.wien.info

Ein anderes gelungenes und empfehlenswertes Beispiel ist für ihn das Vorarlberger Projekt “Gastgeben auf Vorarlberger Art”. Unter der Überschrift “Erfolgreich mit Haltung” haben sich die dortigen Gastgeber auf vier Kernwerte geeinigt: 1. authentische Gastfreundschaft | 2. weltoffene Regionalität | 3. nachhaltige Entwicklung | 4. faire Kooperation

Gastgeben auf Vorarlberger Art (GVA)

Gutes Beispiel in Thüringen, wie eine Stadt sich als weltoffen und mit klarem Bekenntnis zu den ausländischen Mitbewohnerinnen und Mitbewohnern positioniert, ist Jena. Denn – so macht es die Kampagne klar: Jena fehlt was ohne die 25% ausländischen Studierenden, ohne die 18% Stadtbevölkerung mit Migrationsgeschichte, ohne die 9% Fachkräfte, die nicht aus Deutschland kommen, ohne die mehr als 170.000 Gäste aus aller Welt. Sie alle sorgen dafür, dass Jena eine prosperierende und lebenswerte Stadt ist. Dankeschön für diesen Impuls an Stefanie Braune, Leiterin Stabsstelle Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Pressesprecherin der Stadt Jena.

Weltoffenes Jena | Jena Rathaus

Ein Blick auf die Gespräche und Diskussionen in den Workshops.

Die Zeit für den Austausch, die Diskussion, die Entwicklung von Ideen und Ansätzen, das Reflektieren auf die eigene Arbeit war dann doch ein bisschen knapp. In der kurzen Zeit wurde intensiv diskutiert, einander zugehört, die eigene Arbeit reflektiert und überlegt, welche Möglichkeiten vor Ort bereits vorhanden sind oder aufgebaut werden können. Zusammenfassend aus dem Workshoppart lassen sich drei Punkte clustern:

# Selbstbewusst kommunizieren

  • Was gelingt gut? Wo haben wir Erfolge? Wo zahlt unsere Arbeit auf das Leben vor Ort und die Gastzufriedenheit gleichermaßen ein? Machen wir uns diese Fragen und Antworten darauf immer wieder bewusst.
  • Positive Narrative First! Und zwar ganz oft und in aller Breite von Broschüren und Flyern in den städtischen TI, Webseiten, Kampagnen, Pressemitteilungen bis hin zu touristischen Wettbewerben über Thüringens Grenzen hinaus. Schafft Aufmerksamkeit für euch/ uns!
  • Trotzdem: Es gibt nichts zu verschweigen oder zu beschönigen. Gestehen wir uns auch eine ehrliche und konstruktive Fehlerkultur zu.

# Botschaften und Botschafter/innen

  • Mitarbeitende, Einheimische, Testimonials etc. sind Botschafter. Gäste sind Botschafter. Welche Botschaften sollen erzählt werden?
  • Achten wir auf eine heterogene Bildsprache. Bei Barrierefreiheit trauen wir uns das langsam. Andere Branchen und Regionen machen uns das längst vor.
  • Achten wir auf eine sensible Sprache. Und: Ja, das geht auch ohne gendern I*_*I
  • Geben wir dem Thüringer Tourismus mehr als ein Gesicht (ca. Mitte 30/ 1,8 m/ blond/ blauäugig).
  • Thüringer Küche kann 2024 auch nach Europa, Asien oder Amerika schmecken. Also: Erzählen und zeigen wir doch auch mal, dass sehr gute gastronomische Leistungen nicht zwingend aus Klößen, Rotkraut und Bratwurst bestehen müssen.
  • Bitten wir unsere Gäste, wenn wir vor Ort positives Feedback erhalten, um ihre Bewertung im Netz.
  • Wir alle haben Werte: in den Regionen, Städten, Betrieben, Organisationen, Verbänden etc. Wir sollten diese Werte kennen, uns immer wieder bewusst machen und nach außen vertreten.
  • Erzählen wir Geschichten, die Thüringen in den Kontext von Weltenbürgern setzen: vom englischen Mönch, ohne den es Erfurt heute vielleicht nicht gäbe, bis zu Henry van de Velde, unserem Lieblingsbelgier.
  • Selbst manches aus unserem Brauchtum und unseren Traditionen hat eine weltweite Strahlkraft. Stichwort: Weihnachtsdeko und britischer Adel, Kartenspieltradition, Rostbratwurst (geht leider nicht ganz ohne sie 😉
  • Wir Thüringerinnen und Thüringer sind stolz darauf, dass wir als gastfreundlich gelten. Wenn das so bleiben soll, müssen wir dranbleiben und Gastfreundschaft und Willkommenskultur ins 21. Jahrhundert holen.

# Willkommenskultur, Wissen und Wissenstransfer

  • Ist unsere Willkommenskultur auf der Höhe der Zeit? Sind wir und unsere Mitarbeitenden ausreichend geschult im Umgang mit Gästen, die nicht deutsch sprechen? Halten wir Informationen in einer leicht zugänglichen Art oder mehrsprachig vor? Sind Tools bekannt und werden sie genutzt, um Sprachbarrieren zu überwinden?
  • Sind wir mit unseren Angeboten und Services darauf vorbereitet, für Menschen mit anderen Religionen und Lebensgewohnheiten gute Gastgeber zu sein? (Stichwort: kein Rind-, kein Schweinefleisch) Arbeiten wir mit Bezahlsystemen, die Gästen ermöglichen, ohne Geld zu tauschen, auszukommen?
  • Haben wir immer die Daten und Fakten im Blick? Sind wir und unsere Mitarbeitenden geschult im Umgang mit Fremdenfeindlichkeit? Kennen wir Experten, die Aufklärungs- und Bildungsarbeit übernehmen könnten?

Das Thema war keine „leichte Kost“, und es war unmöglich, die Erwartung zu erfüllen, dass es jetzt und hier für alle geltende und machbare Vorschläge geben wird, wie und was hier zu tun ist. Was außerdem sichtbar wurde, war die Erkenntnis, dass Tourismus Teil des Gefüges ist und es zum Funktionieren weitere Akteure beginnend bei der Politik, der Verwaltung, aus der Freizeitwirtschaft im weitesten Sinne und den einheimischen Menschen braucht.

Danke an alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer für euer Engagement. Danke an Andreas Reiter für den Impuls und Denkansatz.

 

Rückschau zum Thüringer Destinationstag 2024

Fotos, Präsentationen, Grafiken aus dem Illumaten und noch mehr finden Sie in unserer Nachlese zum Thüringer Destinationstag.

 

 



Autorin: Anke Riese
Thüringer Tourismus GmbH
Innovation & Qualität | Themenkoordination Kultur im Tourismus
E-Mail: a.riese@thueringen-entdecken.de
Telefon: +49 361 3742248
Telefax: +49 361 3742299
BEITRAG VOM:
21. Oktober 2024

Kategorien:
Qualität · Tourismus-Wissen · Tourismusstrategie · TTG · Veranstaltung /Workshop


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