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Ergebnisse des Destinationstages: 2. Reiseentscheidungen und die Rolle der DMO

©Quelle: Illumat

Wie kommt es, dass du heute hier bist? Reiseentscheidungen und die Rolle der DMOs & Orte

Der 3. Thüringer Destinationstag am 10.09.2024 in Jena wurde von Prof. Pietro Beritelli im Rahmen eines Impulsvortrages zu den Reiseentscheidungen unserer Gäste eröffnet. Im Rahmen seiner wissenschaftlichen Arbeit beschäftigt sich Beritelli intensiv mit Themen wie Besucherlenkung und dem kollektiven Verhalten von Touristen. Zentrales Element seiner jüngsten Studie „How do leisure travel decisions come about?“ ist daher die Frage:

„Wie kommt es, dass Sie heute genau hier sind und nirgendwo anders?“

In 256 Interviews ist Pietro Beritelli so den Reiseentscheidungen von 768 Reisen nachgegangen und hat zentrale Erkenntnisse formuliert und manches Paradigma durchaus kritisch hinterfragt. Beritelli stellt fest, dass Reiseentscheidungen in Instanzen getroffen werden, die klar identifizierbar sind. Etliche dieser Entscheidungsprozesse finden erst am Urlaubsort selbst statt. Reisen sind zudem Abschnitte der eigenen Biografie, in der Regel unter Beteiligung von Familien oder Freunden, und daher deutlich komplexer als konventionelle Konsumgüter. Reiseentscheidungen werden von zentralen Fragen determiniert: Mit wem (Gruppe)? Wann? Wie lange? Wo? Reisemittel? Übernachtung? In der von Beritelli untersuchten Stichprobe spielten Faktoren wie Mund-zu-Mund-Empfehlungen, ein wirtschaftliches/gutes Angebot oder schlicht der Wunsch, an einen bereits bekannten Ort zurückzukehren eine starke Rolle, während klassische Imagewerbung von den Befragten nicht als entscheidend für ihre Reise gewertet wurde. Grundsätzlich knappe Ressourcen erzeugen laut Beritelli daher den größten Hebel, wenn sie von DMOs in den folgenden Handlungsfeldern mit konkreten Projekten alloziert werden:

  • Unterstützung für Gäste,
  • Unterstützung für Leistungsträger
  • Unterstützung für die Bevölkerung vor Ort

Workshop 1 des Destinationstages fokussierte sich daher auf diese drei Kernaufgaben einer DMO (vgl. auch Tourismusstrategie Thüringen, S. 62):

In drei Arbeitsgruppen wurde jeweils über aktuelle Herausforderungen, aber auch über Best-Practices in den Regionen gesprochen. Daraus wurden wiederum Handlungsempfehlungen und Erfolgsfaktoren abgeleitet.

1. Unterstützung der Gäste

Die Frage lautete „Wie können Gäste vor Ort oder sobald sie sich für eine Reise entschieden haben unterstützt werden?“. Kann das durch gezielte Information, Besucherlenkung, buchbare Angebote oder auch besondere Serviceleistungen gelingen? Als wichtige Erfolgsfaktoren können folgende Punkte zusammengefasst werden:

Erfolgsfaktoren

  • Informationen müssen übersichtlich und aktuell sein (Internet, Infotafeln an Radwegen, digitale Infostelen…)
  • Digitale Tools müssen einfach und nutzerfreundlich sein (für jede Generation bedienbar)
  • Angebote müssen online buchbar und online bezahlbar sein
  • Den Gast bei der Wahl der Ausflugsmöglichkeiten unterstützen (z.B. Mein perfekter Tag, Schlechtwettervarianten…)
  • Serviceleistungen bereithalten, z.B. Gästekarten mit inkludiertem ÖPNV
  • Neue Angebote entwickeln, z.B. Kombination aus Wandern & Innovation (Best-Practice: Natura Jenensis)
  • Anreize für weitere Entdeckungen schaffen (Best-Practice: Touringen)
  • Es braucht institutions- und leistungsträgerübergreifende Zusammenarbeit und Absprachen; neue Netzwerke

Unsere Best-Practices von der Pinwand: 

Natura Jenensis > Zusammenarbeit von Forst und Tourismus für neue innovative Wanderangebote
Touringen > über das Sammeln von Stempeln werden Wanderer zu weiteren Entdeckungen verführt
Thüringer Wald Card > als Serviceangebot für Gäste und Einheimische bietet die Karte kostenfreie Eintritte und Ermäßigungen in über 200 Museen und Freizeiteinrichtungen.
Barrierefrei Fahnder > barrierefreie Angebote in Mühlhausen; Barrierefreiheit in kurzen Clips einfach erklärt

2. Unterstützung für Tourismusunternehmen

Wie kann die DMO Tourismusunternehmen bei Projekten unterstützen, die sie nicht selbst stemmen können? Innerhalb dieser Fragestellung wurden ebenfalls zahlreiche Best-Practices, aber auch Herausforderungen zusammengetragen. Eine der größten Herausforderungen: Leistungsträger für die Teilnahme an Projekten zu gewinnen. Zeit- und Personalmangel führen dazu, dass nur wenige Partner aus dem Gastgewerbe sich in gemeinsame Projekten einbringen. Aus den Herausforderungen und Erfolgsfaktoren ergeben sich folgende Punkte:

Erfolgsfaktoren

  • Es braucht einen Kümmerer
  • Verantwortlichkeiten müssen klar verteilt und geregelt sein
  • Der Mehrwert für alle Beteiligten muss klar erkennbar sein (mehr Präsenz, mehr Reichweite, zufriedenere Gäste…)
  • Gemeinsame erfolgreiche Projekte stärken den Zusammenhalt und bereiten den Boden für neue gemeinsame Aktionen
  • Alleinstellungsmerkmale des Ortes/ der Region müssen in Projekten klar herausgearbeitet werden
  • Netzwerke bilden, auch über den Tourismus hinaus
  • Es braucht Geduld:
    • viele Projekte brauchen mehrere Jahre, bis sie sich etabliert haben
    • viele Partner brauchen mehrere Anstöße/ Einladungen zur Teilhabe
  • Den Gastgebern wirklich zuhören
  • Offen sein für Neues

Unsere Best-Practices an diesen Arbeitstischen: 

SaaleHorizontale > Gemeinsame Aktionen von Forst, Stadt und Tourismus in der Abstimmungsphase zu Deutschlands schönstem Wanderweg
Tagesrundwege im Vogtland > in 6 interkommunalen Clustern wurde die Wanderinfrastruktur des Vogtlandes weiterentwickelt
Location-Besichtigung in Jena > Das Jena Convention Bureau lädt regelmäßig lokale Partner auf Besichtigungstour. Besucht werden Event- und Tagungslocations, Hotels uvm. Geringer Aufwand, kaum Kosten, Mehrwert für Alle
Handgemacht Saale-Unstrut > lokales Handwerk wird vorgestellt – regionale Wirtschaftskreisläufe gestärkt und die Region erhält nochmals eine neue Erzählperspektive
Produzentenstammtisch in Altenburg > Produzenten, Direktvermarkter und Gastgeber entwickeln gemeinsam Lösungen, z.B. für Herausforderungen in der Logistik

3. Unterstützung der Gemeinschaft und der Öffentlichkeit

Viele touristische Angebote werden auch von Einwohnern genutzt und sind daher ein wichtiger Standortfaktor. Zugleich werden innovative Ideen oft auch aus der Bevölkerung heraus geboren. Wie kann die DMO bei der Entwicklung unterstützen? Dieser Frage widmete sich Tisch 3 und konnte am Ende folgende Erfolgsfaktoren definieren:

Erfolgsfaktoren

  • Besonders erfolgreiche Produkte sprechen gemeinsame Bedürfnisse von Bevölkerung und Touristen an
  • Identifikation ist ein Schlüsselelement bei Einheimischen
  • Diversifizierung der Nutzungsszenarien für Gäste und Einheimische schafft gemeinsame Räume
  • Vernetzen und Kirchturmdenken abbauen
  • Partizipation und Wertschätzung
  • Kostenersparnisse nicht nur für Gäste, sondern auch für Einheimische

Auf den Moderationskarten fanden sich unter anderem folgende Best-Practices:

Goethe Erlebnis Weg > Stiftet Identifikation bei Einheimischen und ist spannend für Touristen
Co-Labor Weimar > Ein Ort mit diversifizierter Nutzung, an dem Gäste und Einheimische gemeinsam lernen, erleben und diskutieren können
Schnee-App Thüringer Wald > Welche Loipe ist gerade gespurt und wie hoch liegt der Schnee? Essenziell für Einheimische und Gäste, die sich beim Wintersport begegnen
Wilde Riesen in Altenburg > Erlebnisangebote für Kinder, die Bedürfnisse von Einheimischen und Touristen gleichermaßen adressieren
Erfurt-Botschafter Initiative > Im Namen der Schönheit der Thüringer Landeshauptstadt sind die Erfurt-Botschafter in unzähligen Netzwerken unterwegs. Spannende Geschichten für Touristen, Identifikation für Einheimische.

Eine weitere zentrale Erkenntnis war, dass gute Projekte in der Regel ein sehr konkret abgrenzbares, überschaubares Problem lösen. Herausforderungen hingegen werden oft in sehr großem Rahmen identifiziert (z.B. ÖPNV im ländlichen Raum). Da sich diese großen Herausforderungen aber nicht ohne Probleme lösen lassen, findet oftmals eine Ausweichbewegung ins Strategische statt. Statt Probleme zu lösen, werden Strategien geschrieben. Die erfolgreichen Projekte zum Vorbild nehmend sollten DMOs öfters versuchen, große Problemfelder in kleine, lösbare Schritte herunterzubrechen.

Wir danken allen Vertretern von DMOs, Städten, Landratsämtern, Tourist Informationen etc., die intensiv mit uns an diesen Themen gearbeitet haben.

Rückschau zum Thüringer Destinationstag 2024

Fotos, Präsentationen, Grafiken aus dem Illumaten und noch mehr finden Sie in unserer Nachlese zum Thüringer Destinationstag.

 



Autorin: Anja Neumann
Thüringer Tourismus GmbH
Innovation & Qualität | Themenkoordination Wellness & Gesundheit, Wissensmanagement
E-Mail: a.neumann@thueringen-entdecken.de
Telefon: +49 361 3742249
Telefax: +49 361 3742299
BEITRAG VOM:
23. September 2024

Kategorien:
Best Practice · Produkt & Qualität · Produktentwicklung


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2 Kommentare

Kommentare




  1. Kathrin sagt:

    Danke liebe Anja, sehr spannender Bericht und da ich nicht zum Destinationstag kommen konnte, eine wunderbare Nachlese. Danke euch!

    1. Anja Neumann sagt:

      Liebe Kathrin,
      danke für das Feedback. Das war tatsächlich noch nicht alles. Wir hatten ein sehr üppiges Tagungsprogramm. Unter anderem haben wir über Willkommenskultur in Zeiten des Rechtsrucks diskutiert und haben Ideen entwickelt, wie wir Tagungsgäste zum Urlaub in Thüringen animieren können. Die Ergebnisse aus diesen und weiteren Workshops folgen in den kommenden Wochen.
      P.S. Wir hoffen, dass du nächstes Jahr wieder dabei sein kannst. Der Tourismus ist eine sehr facettenreiche Branche und wir freuen uns über die unterschiedlichsten Blickwinkel in den Diskussionsrunden.

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