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Saisonbilanz 2022

Der Thüringen-Tourismus entwickelt sich schwächer als der Wettbewerb

­­1. NACHFRAGEENTWICKLUNG JAN. BIS DEZ. 2022

Thüringen mit Zuwächsen gegenüber 2021, aber noch deutlich hinter den Zahlen aus 2019 zurück

Die gewerblichen Betriebe ab zehn Betten in Thüringen verzeichneten 2022 9,09 Millionen Übernachtungen und damit 1,26 Millionen weniger als im gleichen Zeitraum 2019. Die pandemiebedingten Rückgänge sind damit immer noch vergleichsweise hoch. Mit einem Minus von 12,2 % gegenüber 2019 liegt Thüringen im Bundesländervergleich im hinteren Drittel und unter dem deutschen Durchschnitt von -9,1 %. Schleswig-Holstein konnte als einziges Bundesland das Ergebnis von 2019 übertreffen. Nachbarländer wie Bayern oder Sachsen-Anhalt liegen in etwa auf dem Bundesniveau. Positiv stimmt der Trend seit 2021, denn gegenüber dem Vorjahr legten die Übernachtungszahlen 2022 in Thüringen wieder um 37,3 % zu, natürlich mit sehr eingeschränkter Vergleichbarkeit aufgrund der Corona-Pandemie und dem damit verbundenen temporären Lockdown 2021.

Der Bundesländervergleich zeigt, dass insbesondere diejenigen Länder/Destinationen von einer langsameren Erholung geprägt sind, in denen der Anteil Geschäftsreisender, des Städtetourismus und der Gäste aus dem Ausland vergleichsweise hoch ist. Und auch die Mittelgebirgsregionen in Deutschland kämpfen derzeit um die Gunst der Gäste. Wassergeprägte Destinationen zogen dagegen weiter an. In Thüringen setzt sich somit die bereits vor 2020 zu beobachtende Konsolidierungsphase mit Herausforderungen rund um Qualität und neue Gästegruppen fort.

Normalniveau noch nicht wieder erreicht

Der Blick auf die Monatsergebnisse zeigt: Nach einem schwachen Jahresstart, nach wie vor auch durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie geprägt, näherte sich das Nachfragevolumen zwischen Frühjahr, Sommer und Herbst 2022 wieder deutlich dem Vor-Corona-Niveau an. Lediglich der August fiel etwas schwächer aus, weil Thüringen insbesondere im August 2021 mit der BUGA in Thüringen einen enorm starken Monat verzeichnen konnte.

Im September und Oktober 2022 reichten die Zahlen auch in Thüringen wieder fast an das Niveau aus 2019 heran. Bei der Zurückhaltung im Dezember 2022 gegenüber dem Dezember 2019 ist auch von einem Zusammenhang mit der Inflation und infolgedessen einer geringeren Kaufkraft der Nachfrage auszugehen.

Besonders positiv hervorzuheben beim Vergleich 2022 gegenüber 2021 sind die Monate November und Dezember mit deutlichen Steigerungsraten. Dies ist auch darauf zurückzuführen, dass Kulturangebote und Weihnachtsmärkte wieder stattfinden und entsprechend angenommen wurden.

Grundsätzlich deutet die Datenlage darauf hin, dass Thüringen aus Nachfragesicht zusätzliche Impulse über die Angebotsentwicklung und die Vermarktung braucht, um im Wettbewerb Schritt zu halten. Zudem scheinen der Gästequerschnitt in Thüringen derzeit so strukturiert zu sein, dass die Nachfrager:innen sensibler auf die Rahmenbedingungen rund um Preis- und Kostensteigerungen reagieren. Mit Blick auf die Herkunftsmärkte und die große Bedeutung des Inlandstourismus sollten aktuell insbesondere die innerdeutschen Potenziale aktiv bearbeitet werden.

 

Städtedestinationen kommen zurück, Eichsfeld und Übriges Thüringen fast wieder auf Vor-Pandemie-Niveau

Regional betrachtet zeigen sich derzeit das Eichsfeld (-5,5 Prozent) und das Übrige Thüringen (-6,3 %) im Vergleich 2022 gegenüber 2019 am stärksten. Fast alle weiteren Regionen liegen auf einem Nachfrageniveau von 87 % bis 89 % im Vergleich zu 2019. Etwas zurück hängt noch das Thüringer Vogtland mit 84 %. Erfreulich ist es, dass die Städte Eisenach, Erfurt, Jena und Weimar mit -14,9 % zwar noch leicht unter dem Landesdurchschnitt liegen, sie aber im Vergleich zu 2021 Zuwächse von 41,1 % verbuchten. Der Städtetourismus nimmt also offensichtlich wieder Fahrt auf. Dies passt zum bundesweit zu beobachtenden Nachfragetrend der Rückkehr zu klassischen Reisemustern.

Nur langsame Erholung im Incoming-Markt

Der Incoming-Markt erholt sich weiterhin nur langsam und liegt noch deutlicher unter dem 2019er-Niveau als der Binnenmarkt. In Thüringen übernachteten zwischen Januar und Dezember 2022 25,4 % weniger ausländische Gäste als 2019, in etwa auf Bundesniveau. Allerdings zeigt auch hier der Blick auf die Vorjahreszahlen, dass im vergangenen Jahr mit rund 467.806 Übernachtungen bereits wieder Zuwächse von 58,3 % im Vergleich zu 2021 generiert werden konnten. Bei den Destinationen verdoppelte sich die Zahl der Übernachtungen ausländischer Gäste im Vorjahresvergleich in den Städten Eisenach, Erfurt, Jena und Weimar. Sie vereinten 2022 über 42 % der gesamten Nachfrage aus dem Ausland in Thüringen auf sich, gefolgt vom Thüringer Wald mit fast 34 %. Bei den Top-10-Märkten zogen die Zahlen aus den Niederlanden, den USA, Frankreich und Dänemark am stärksten an. Absolut betrachtet bilden Polen (54.612 Übernachtungen), die Niederlande (41.242) und Österreich (39.860) die Top 3.

Camping und Hotels garnis übertreffen das Ergebnis aus 2019

Der Trend zu autarken Unterkunftsformen hielt auch 2022 an: Die Betriebstypen Camping und Ferienhäuser/-wohnungen lagen auf oder über dem Niveau von 2019. Gleiches gilt für die Hotels garnis. Erfreulich: Gruppenunterkünfte wie Jugendherbergen/Hütten, Schulungsheime oder Erholungs- und Ferienheime liegen im Vergleich zu 2019 zwar noch deutlich zurück, konnten ihre Übernachtungszahlen zwischen 2021 und 2022 aber verdoppeln. Der bezogen auf das Volumen wichtigste Betriebstyp mit 3,8 Millionen Übernachtungen in 2022 – die Hotels – kommen in Thüringen dagegen nur langsam wieder in Schwung. Trotz der schwierigen Nachfragesituation sind gerade hier Investitionen in die Qualität gefragt, um sich über ein gutes Preis-Leistungsverhältnis am Markt durchzusetzen.

Bettenauslastung weiterhin niedrig

Bei der Bettenauslastung liegt Thüringen im Mittelfeld der ostdeutschen Bundesländer. 32,0 % zwischen Januar und Dezember 2022 bedeuten 4,7 Prozentpunkte weniger als im Vergleichszeitraum 2019, aber gleichzeitig einen leichten Anstieg in den letzten Monaten des Jahres 2022. Bundesweit lag die Bettenauslastung 2022 bei 35,6 % und damit 3,6 Prozentpunkte niedriger als 2019. Weil aber die Zimmerpreise in der thüringischen Hotellerie im Zeitraum 2017 bis 2022 um rund 20 % auf 86 Euro in 2022 angestiegen sind, dürften die Betriebe im Beherbergungsgewerbe darüber einen Teil der Auslastungsrückgänge und der Kostensteigerungen kompensiert haben.

Ausblick

Der Thüringen-Tourismus ist nach wie vor in einer schwierigen Situation. Viele zentrale Kennzahlen liegen nach wie vor unter den Vergleichswerten der Wettbewerber. Aber es gibt auch Lichtblicke. Einige Betriebstypen entwickeln sich bereits wieder positiv, allen voran das Campingsegment. Hoffnung machen auch einige Großveranstaltungen im Thüringer Wald Anfang 2023. Wie sich die Rennrodel Weltmeisterschaften im Januar und die Biathlon Weltmeisterschaften im Februar ausgewirkt haben, werden die Datenveröffentlichungen in den nächsten Monaten zeigen. Wichtig sind stetige Investitionen in das Angebot, damit die Qualität entsprechend der Preise mitziehen kann und die Zufriedenheit sowie die Weiterempfehlungsquote im Thüringen-Tourismus steigen.

Die Aussichten sind nachfrageseitig trotz der volatilen Rahmenbedingungen verhalten positiv. Das Städteerlebnis im Leisure-Segment wird wieder nachgefragt. Für Anbieter mit hohen Anteilen im klassischen Geschäftsreisemarkt stellt sich zunehmend die Frage einer thematischen Neuausrichtung bzw. einer Zielgruppendiversifizierung.

Während die Haupturlaubsreisen stabil bleiben werden, ist eine Konsolidierung bei den Kurzreisen und damit ein gewisser Gegentrend zu den Bestrebungen einer Saisonerweiterung zu erwarten. Hier sind eine innovative Produktentwicklung und verstärkte Marketingmaßnahmen gefragt, um das Reiseland Thüringen zu stärken. Nachhaltigkeitsaspekte, Klimaschutz durch Tourismus und Maßnahmen zur Klimaanpassung nehmen an Bedeutung und Wucht zu. Die klimatischen Rahmenbedingungen sind immer häufiger z.B. über Extremwetterereignisse spürbar. Der Tourismus ist gefordert, angebots- wie nachfrageseitig seinen Beitrag zu leisten, nicht zuletzt, um seine Existenzgrundlage zu sichern.

­­2. TAGESREISEN JANUAR BIS DEZEMBER 2022

Tagesreisen: Aufschwung verliert an Fahrt

Der Tagesreisemarkt hat sich bundesweit bis zum Juni 2022 wieder auf dem Niveau von 2019 stabilisiert. Diese Phase reichte bis in den August. Ab September sank das Volumen der Tagesausflüge teilweise wieder um 10 bis 20 Prozent unter das „Normalniveau“, eine Entwicklung, die bis Ende 2022 anhielt. Diese Zurückhaltung deckt sich mit der medialen Berichterstattung rund um Energieengpässe bis hin zu einem gefühlten Alarmismus, den steigende Energiepreise und die allgemeine Inflation auslösten. Ob reale Wirkung in der Geldbörse oder zunächst unter Vorsichtsgedanken; Fakt ist, dass die Menschen in dieser Phase weniger Ausflüge unternommen haben als üblich und auch bei den Ausgaben gespart wurde.

Das Segment der Tagesreisen ist auch für den Tourismus in Thüringen ein wichtiges Standbein. Sie sind ein Milliardengeschäft für die Betriebe – in Ostdeutschland insgesamt erzielten sie 2022 einen Bruttoumsatz von über 11 Mrd. €. Der Tagestourismus stärkt die Infrastrukturausstattung, die Lebensqualität für die Bevölkerung vor Ort, die Attraktivität, um Arbeitskräfte in der Region zu halten und letztlich auch die Attraktivität für die Übernachtungsgäste.

Ansatzpunkte

Tagestourismusmanagement ist als gemeinschaftliche Aufgabe in einer Destination zu verstehen. Die Tourismusorganisationen können die Herausforderungen an einigen Stellen zusammen mit starken Partnern direkt steuern, in anderen Bereichen sind sie Partner oder Impulsgeber. Fünf Ansatzpunkte, die Rolle des Tagestourismus als Motor für die regionale Entwicklung in Thüringen zu stärken:

  1. Produkte & Erlebnisse entwickeln: DMO als tagestouristische Erlebnisarchitektin und Einheimische als Zielgruppe verstehen
  2. Zielgruppen kennen & verstehen: Einwohner:innen und Tagesgäste – Stadt- und Landbevölkerung mit ihren unterschiedlichen Bedürfnissen und Anforderungen ansprechen
  3. Wertschätzung erhöhen: Tagestourismus als Wirtschafts-, Image- und Lebensqualitätsfaktor stärker in die Köpfe bringen
  4. Besucher:innen managen: Buchbarkeit, Lenkungsmöglichkeiten, Datenerhebung und -nutzung
  5. Mobilität in die Produktgestaltung integrieren: aktives Mobilitätsmanagement betreiben (ÖPNV & letzte Meile, Parkraum)

 

­­3. FREIZEITWIRTSCHAFT JANUAR BIS DEZ. 2022

Angespannte Situation in der Freizeitwirtschaft in Thüringen hält an

Die Freizeitwirtschaft in Thüringen steht weiterhin massiv unter Druck. Es fehlten zwischen Januar und Dezember 2022 weiterhin rund jede:r fünfte Besucher:in. Bundesweit waren ebenfalls noch Rückgänge zu verzeichnen, jedoch weniger stark als in den Thüringer Einrichtungen (-13,0 %).
Saisonal betrachtet kämpften die Einrichtungen zu Jahresbeginn 2022 noch mit den Auswirkungen der Corona-Pandemie. Nach einem soliden Sommer und Herbst stockte die Erholung schließlich ab November 2022 vor dem Hintergrund der Inflation und eines vorsichtigeren Konsums auf Nachfrageseite.

Die Kategorien im Detail:

  • Freilichtmuseen und Besucherbergwerke stabilisieren ihre Besucher:innenzahlen in Thüringen weiter. Mit -7,3 % gegenüber den Jahresergebnissen 2019 entwickelten sie sich deutlich besser als die Freizeiteinrichtungen insgesamt. Nach wie vor ist zu beobachten, dass sich Outdoor-Angebote besser entwickeln als Indoor-Einrichtungen.
  • Stadtführungen kämpften 2022 weiterhin mit den Herausforderungen rund um die Recovery des Städtetourismus, bundesweit wie in Thüringen. Hier lagen die Zahlen noch knapp 30 % unter denen des Vor-Pandemie-Niveaus, stiegen aber im Vergleich zu 2021 wieder an.
  • Den Museen und Ausstellungen fehlten 2022 fast jede:r dritte Besucher:in gegenüber 2019. Hier kommt es auch darauf an, über spannende Angebote wie Sonderausstellungen neue Impulse zu setzen.
  • Die Thüringer Erlebnisbäder und Thermen liegen noch gut 40 % unter dem Niveau von 2019. Konsumzurückhaltung in diesem höherpreisigen Segment trifft auf notwendige Preissteigerungen infolge des Anstiegs der Energiekosten.

Der Blick auf den Bundesländervergleich über das Sparkassen-Tourismusbarometer Ostdeutschland zeigt, dass vor allem die Einrichtungen in Brandenburg und Sachsen 2022 aufholen konnten. Im Vergleich zum Vor-Corona-Niveau verzeichnet nach wie vor Sachsen-Anhalt mit -11,2 Prozent die geringsten Rückgänge, während die Freizeitwirtschaft in Thüringen noch am stärksten betroffen ist. Hier wirkt offensichtlich vor allem eine Konsumzurückhaltung bei den Thüringer:innen selbst, die die wichtigste Zielgruppe für den Tagestourismus im Land darstellen..

 

Ausblick

Neben den nachfrageseitigen Herausforderungen in Thüringen baut sich der Druck auf die Freizeitwirtschaft zunehmend über die Kostenseite auf: Viele Angebotssegmente leiden unter steigenden Energie- und Rohstoffpreisen, von Museen über Zoos und allen voran die Bäder. (Teil)Schließungen sind bislang noch die Ausnahme, aber die Freizeiteinrichtungen müssen die höheren Kosten für einen dauerhaften Betrieb an die Besucher:innen weitergeben.

In den vergangenen Jahren sind die Eintrittspreise ostdeutschlandweit jeweils um 0,8 bis 3,9 Prozent pro Jahr gestiegen. Von 2022 auf 2023 zogen sie dagegen um 8,2 Prozent an und lagen in etwa auf dem Niveau der Inflationsrate. Wenig überraschend: Die Gruppe der Erlebnisbäder/Thermen musste ihre Preise um fast 16 Prozent erhöhen, womit in aller Regel die gestiegenen Kosten dennoch nicht gedeckt sind. Und trotzdem funktionieren auch hochpreisige Angebote weiterhin am Markt, nur eben mit insgesamt weniger Besuchen, die als Tagesauflüge vom Wohnort oder Aktivität am Urlaubsort unternommen werden.

Für die Betriebe bleibt es ein Balanceakt zwischen notwendigen Preiserhöhungen und den Reaktionen der Nachfrage. Und genau diese Nachfrage reagierte 2022 laut Statistischem Bundesamt noch mit gestiegenen Konsumausgaben, allerdings auf Kosten einer noch stärker rückläufigen Sparquote. Die Konsument:innen konnten bislang also noch auf Kosten der Ersparnisse die steigenden Preise überbrücken und weitgehend an ihren Konsumgewohnheiten festhalten. Letztlich wird 2023 zeigen, wie lange die hohe Inflation wirkt und ob dauerhafte Auswirkungen auf der Konsumlaune die Folge sein werden.

 

Newsletter zum Download:

1/2023: Saisonbilanz 2023 (228.0 KiB)



Autorin: Marktforschung
Thüringer Tourismus GmbH
E-Mail: marktforschung@thueringen-entdecken.de
Telefon: +49 361 3742239


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