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Qualitätssicherung trotz Arbeitskräftemangel

©Quelle: Thüringer Tourismus GmbH

Arbeitskräftemangel als Herausforderung für die Tourismusbetriebe

Die Tourismusbetriebe sind aktuell vorwiegend mit zwei Herausforderungen konfrontiert. Zum einen die steigenden Kosten als Resultat der Ukraine-Krise und zum anderen die Problematik, geeignetes Personal zu finden. Der Arbeitskräftemangel hängt stark mit dem Thema Qualitätssicherung – und damit auch mit dem Betriebserfolg – zusammen. Das zeigen sowohl angebots- als auch nachfrageseitige Erhebungen des Sparkassen-Tourismusbarometers Ostdeutschland. Die diesjährige Ausgabe legt den Fokus genau auf dieses Thema. Im Rahmen des aktuellen Newsletters werden die zentralen Ergebnisse des Sparkassen-Tourismusbarometers vorgestellt.

 

­­ENTWICKLUNG DER AUSBILDUNGS- UND BESCHÄFTIGTENZAHLEN IM GASTGEWERBE

Arbeitskräftemangel als größte Herausforderung für Tourismusbetriebe in Thüringen

Vor allem an den Ausbildungszahlen wird deutlich, dass immer weniger Menschen im Gastgewerbe arbeiten (wollen): Zwischen 2011 und 2021 ist die Zahl der gemeldeten Ausbildungsstellen in Thüringen um 55,2 % gesunken – so stark wie sonst nirgends in Ostdeutschland. Gleichzeitig blieben 2021 25,8 % der Ausbildungsstellen im thüringischen Gastgewerbe unbesetzt. Zum Vergleich: 2011 war es nur rund jede zehnte Ausbildungsstelle.

Und nicht nur die Ausbildungszahlen zeigen die Problematik deutlich auf. Auch ein Blick auf die Beschäftigtenzahlen im Gastgewerbe macht deutlich, dass mit Beginn der Pandemie eine starke Abwanderung in andere Branchen eingesetzt hat. Von 2011 bis 2019 gab es eine kontinuierliche Zunahme an sozialversicherungspflichtig (SvB) und geringfügig Beschäftigten (GeB) in Thüringen auf 38.697 (2019). 2021 – nach zwei Jahren von Unsicherheit und Lockdowns – lag die Zahl 15,5 % niedriger. Damit sind die Rückgänge stärker als in Ostdeutschland insgesamt (-13,1 %), aber noch etwas geringer als im Bundesschnitt (-15,9 %).

Ein Blick auf die aktuellen Zahlen vom Juni 2022 zeigt, dass zumindest im Vergleich zum Vorjahr eine leichte Entspannung eingesetzt hat. So lag die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten (SvB) im Gastgewerbe in Thüringen 7,1% und die Zahl der geringfügig Beschäftigten (GeB) 20,8 % höher als im Juni des Vorjahres und die Rückgänge gegenüber 2019 wiegen weniger stark (SvB: -2,7 % in Thüringen, -1,9 % in Ostdeutschland, -5,9 % in Deutschland).

 

­­QUALITÄTSSICHERUNG TROTZ ARBEITSKRÄFTEMANGEL

Der menschliche Kontakt bestimmt maßgeblich die Zufriedenheit der Gäste. Das ist auch den Betrieben bewusst. Bei Investitionen lag der Fokus in der Vergangenheit trotzdem eher auf Infrastruktur und Ausstattung. Zukünftig muss ein Umdenken in den Betrieben stattfinden und das Hauptaugenmerk auf die Mitarbeitenden und die Personalpolitik gelegt werden. Die Gäste wissen, dass Qualität ihren Preis hat. Für höhere Löhne ist laut den Erhebungen des Sparkassen-Tourismusbarometers Ostdeutschland die Mehrheit der Gäste bereit, mehr zu zahlen.

 
Lösungen für fehlende Arbeitskräfte müssen her

Die vorübergehenden Zwangsschließungen in den letzten Jahren haben dem Image der Branche nicht gutgetan. Der Tourismus ist eine dienstleistungsintensive Branche, in der viel Personal benötigt wird. Digitalisierung und Technik können Menschen derzeit nicht im großen Stil ersetzen. Die Nachfrage nach touristischen Dienstleistungen besteht nach wie vor und deshalb bleibt auch die Nachfrage nach Arbeitskräften bestehen. Da die Zahl der auf dem Arbeitsmarkt verfügbaren Arbeitskräfte jedoch immer weiter sinkt, müssen neue Lösungen gefunden werden. Das zeigen auch die Ergebnisse der Betriebsbefragung. Der Fachkräftemangel wird gefolgt von steigenden Kosten als Hauptherausforderung in den kommenden Jahren gesehen.

 
Mitarbeitendensuche (im Ausland) bleibt weiterhin wichtig

Die Herausforderungen auf dem touristischen Arbeitsmarkt stehen seit Jahren im Fokus der Branche, doch die Situation hat sich pandemiebedingt nochmals deutlich verschlimmert. Mitarbeitendenakquise und Image-Kampagnen waren bislang die wichtigsten Instrumente. Die Lösung lag darin, immer neue Mitarbeitende für die Tourismusbetriebe zu gewinnen. Aufgrund des angespannten hiesigen Arbeitsmarktes verlagerte sich die Suche zunehmend weiter ins Ausland. Aufwand und Kosten dabei sind jedoch enorm. Das Thema Mitarbeitendensuche bleibt insgesamt weiterhin wichtig.

 

Branchenimage verbessern – Veranstaltung First Date Tourismus              

First Date Tourismus | Pop-up-Store für deinen Jobstart©Quelle: H2F

Auf dem Weg zur Mitarbeitendensuche sind spannende Formate und innovative Wege gefragt. Im Rahmen dieses Handlungsfeldes muss an besseren Voraussetzungen gearbeitet werden, aber auch das Branchenimage kann aktiv gestaltet werden. Eine Thüringer Veranstaltung, die sich diesem Thema in besonderer Weise annimmt, ist „First Date Tourismus. Pop-up-Store für deinen Jobstart“. Auf unkonventionelle und bunte Weise werden hier Tourismus- und Gastro-Jobs in Szene gesetzt. Das Programm setzt auf Mitmachen und Interaktion in der inspirativen Umgebung von “360 Grad Thüringen Digital Entdecken” in Erfurt und versucht die Grenzen klassischer Jobmessen aufzubrechen. Mit einer ganzen Reihe von Mitmachaktionen, interessanten Partnern und potenziellen “Role Models” soll vermittelt werden, dass unsere Branche vor allem auch Spaß machen kann und spannend ist. Die Veranstaltung wendet sich vom 10. bis 15.10.2022 gezielt an Schulklassen. Vom 17. bis 19.10.2022 sind die Türen für Laufpublikum geöffnet. Mehr Informationen unter: https://360grad.thueringen-entdecken.de/-/first-date-tourismus

 

Mitarbeitendenbindung wird deutlich wichtiger

Die Kosten für die Suche und Integration neuer Arbeitskräfte steigen an, weshalb der Fokus der Betriebe stärker auf der Bindung bestehender Mitarbeitenden liegen sollte. Neben einer wertorientierten Betriebsführung gibt es mehrere Instrumente, die zu einer stärkeren Mitarbeitendenbindung führen. Neben der Steigerung der emotionalen Bindung werden unter anderem zunehmend Lösungen für flexibles Arbeiten und verfügbare Unterkünfte gefordert.

 
Langfristige emotionale Bindung an den Betrieb aufbauen

Arbeitgeber/-innen müssen sich stärker dem stellen, was als New Work zusammengefasst wird. In erster Linie steht die Sinnfrage von Arbeit und die persönliche Entfaltung jedes und jeder Einzelnen im Vordergrund. Es geht also um die Arbeit an der eigenen Haltung gegenüber den Mitarbeitenden. Das Fundament der neuen Arbeitskultur sind gemeinsame Werte und eine sinnstiftende, verbindende Vision. Für die Umsetzung im Unternehmen ist vor allem die Führungsebene gefordert: In der neuen Arbeitswelt arbeiten Teams eigenverantwortlich. Sie brauchen zur Unterstützung ein Management mit herausragenden Führungskompetenzen, bei dem Menschen im Mittelpunkt stehen. Gefragt ist weniger die fachliche Qualifikation, sondern vor allem persönliche und soziale Kompetenzen.

 

Flexible Arbeitszeitmodelle bieten Vorteile für beide Seiten

Flexible Arbeitszeitmodelle sind zwar im Tourismus vergleichsweise schwer umzusetzen, die Ansprüche der Mitarbeitenden an Flexibilität steigen jedoch zunehmend. Hier gilt es, individuelle Lösungen zu entwickeln und auszuprobieren. Die Spannbreite mögliche Modelle ist groß: vom klassischen Teilzeitmodell über Arbeitszeitkonten bis zur Vertrauens- oder Wahlarbeitszeit ist vieles möglich. Wichtig ist allerdings, dass zeitliche Spielräume auch an ein tatsächliches zeitliches Selbstmanagement bei den Beschäftigten gekoppelt ist. Während Betriebe damit noch einen Wettbewerbsvorteil auf dem Arbeitsmarkt haben, wird die Flexibilisierung der Arbeitszeit branchenübergreifend immer stärker zum neuen Normalzustand, dem sich auch die touristischen Betriebe stellen müssen.

 

Attraktive Mitarbeitendenunterkünfte als Instrument aktiver Personalpolitik

In vielen Regionen Deutschlands ist gerade das Wohnen zu einem der größten Herausforderungen geworden. In Anbetracht des Drucks seitens der Mitarbeitenden und Wettbewerber reicht es nicht aus, sich allein auf die Hilfe von Kommunen und Politik zu verlassen. Sie können beim Thema Wohnraum zwar unterstützen, in der Verantwortung stehen aber die touristischen Betriebe selbst. Attraktives Mitarbeitendenwohnen ist dabei aber mehr als das Personalzimmer unter dem Dach. Es sollte attraktiv genug zur Steigerung der Mitarbeitendenbindung ausfallen. Aufgrund der Komplexität und der hohen Kosten ist es hilfreich, sich dabei mit anderen zusammenzuschließen – sei es mit anderen Betrieben aus der Region oder einem erfahrenen Partner aus der Wohnungswirtschaft.

 

Ausblick

Gutes Personal ist für die touristischen Betriebe kaum noch zu finden. Denn nicht nur Hotels, Restaurants und Freizeitbetriebe suchen in Thüringen händeringend Mitarbeitende. Durch den demographischen Wandel und den Renteneintritt der Babyboomer entsteht über alle Branchen hinweg eine Arbeitskräftelücke von 8 Millionen Menschen. Auf dem deutschen Arbeitsmarkt können die Mitarbeitenden zunehmend selbst entscheiden, wo und unter welchen Bedingungen sie gern arbeiten möchten. Die Suche nach neuem Personal wird unter diesen Rahmenbedingungen zu einer Herkulesaufgabe. Daher gewinnt die Bindung der bestehenden Mitarbeitenden immer mehr an Bedeutung. Das gilt auch für Thüringen.

 

Neue Prozesse und Strukturen bieten auch Lösungsansätze

Ein weiteres Rezept für eine erfolgreiche Personalpolitik besteht darin, den Personalbedarf zu senken. Denn wenn ein Betrieb weniger Arbeitskräfte benötigt, dann müssen auch weniger Mitarbeitende gesucht und/oder gebunden werden.

 

Service-Leistungen neu und innovativ denken

Jeder Betrieb muss die Abläufe im Betrieb kritisch hinterfragen und überprüfen, ob und wenn ja, an welcher Stelle Personal eingespart werden kann. Dabei müssen drei Dinge unbedingt beachtet werden: die eigene Zielgruppe, die Gästestruktur sowie das notwendige Qualitätsniveau. Bei Budget-Betrieben bieten sich tendenziell mehr Anknüpfungspunkte im Rahmen der Technologisierung der Dienstleistungen (z. B. Online-Check-In, Snack-Automat am Flur) als bei der Ferienhotellerie, welche stärker auf zwischenmenschliche Kontakte und Dienstleistungen setzt. Die Akzeptanz zur Umsetzung neuer Dienstleistungen ist sowohl bei deutschen als auch bei ostdeutschen Betrieben noch nicht weit verbreitet. Häufig fehlt ihnen die Vorstellungskraft für größere und grundlegende Veränderungen. Dabei können mutige Maßnahmen zu deutlichen Kosteneinsparungen führen. Die Befragungsergebnisse zeigen: Bei den Gästen erzielen verschiedene Formen reduzierter Services eine hohe Akzeptanz. Noch dazu sind Gäste durchaus bereit, höhere Preise zu zahlen. Neue Betriebskonzepte und Prozesse können ein Alleinstellungsmerkmal für Betriebe sein. Sie können damit den größten Kostenblock Personal reduzieren. Dafür brauchen die Betriebe neben Geld vor allem Zeit und eine gute Kommunikationsstrategie gegenüber dem Gast.

 

Öffnungszeiten anpassen

Vielen Betrieben fehlt das notwendige Personal, um den Betrieb auf „Vorkrisen-Niveau“ zu betreiben: Sie waren mehr oder weniger gezwungen ihre Öffnungszeiten zu reduzieren oder zusätzliche Schließtage einzuführen. Eine Veränderung der Öffnungszeiten kann aber auch als aktive Entscheidung getroffen werden. Das Ziel ist dann die Optimierung der Öffnungszeiten, um möglichst wenig Personal zu benötigen, aber gleichzeitig möglichst viel Umsatz zu machen. Betriebe sparen so nicht nur Geld, sondern entlasten ihre Mitarbeitenden. Damit können sie zu einer Verbesserung der Work-Life-Balance beitragen. Aber es gibt auch Grenzen, denn die Gewohnheiten und Wünsche der Gäste müssen im Blick behalten werden. Es darf auch nicht zu negativen Effekten wie längeren Warteschlangen und einem Gefühl der Überfüllung kommen. Das würde die Qualität der Dienstleistung aus Gästesicht reduzieren. Für die gesamte Region ist es wichtig, dass eine lückenlose Versorgung der Gäste und Einheimischen gegeben bleibt.

 

Mitarbeitenden-Sharing funktioniert nicht nur in Saisonbetrieben

Vor allem Saisonbetriebe sind dafür geeignet, sich mit mehreren Betrieben Mitarbeitende zu teilen (sogenanntes Mitarbeitenden-Sharing). Aber auch Betriebe innerhalb eines Ortes, die beispielsweise wie ein Café und eine Bar von Natur aus unterschiedliche Arbeitszeiten haben, können sich ihr Personal stundenweise aufteilen. Die Online-Erhebung bei den ostdeutschen Betrieben zeigt, dass in thüringischen Betrieben das Thema Mitarbeitenden-Sharing bislang kaum eine Rolle spielt. Dabei entstehen auf betrieblicher Ebene durchaus Vorteile: Kosten und Zeit für die Suche und Einarbeitung neuer Mitarbeitender werden merklich reduziert, die Flexibilität bei der Personalplanung steigt. Gerade Berufsanfänger/-innen und Auszubildende können durch die Arbeit in verschiedenen Betrieben ihr Wissen und ihre Fähigkeiten deutlich ausbauen. Alternativ zum saisonalen Mitarbeitenden-Sharing können Betriebe auch Infrastrukturbereiche (z.B. eine Küche für zwei Betriebe) oder Mitarbeitende auf besonderen Positionen (z.B. IT) teilen.

 

Ausblick

Wenn immer weniger Arbeitskräfte zur Verfügung stehen, kommt irgendwann auch die beste Mitarbeitendenbindung an ihre Grenzen. Deshalb ist die Verbesserung von Prozessen und Abläufen ein ebenso wichtiges Thema. Bei Prozessoptimierung geht es aber nicht um Rationalisierung zum Selbstzweck. Vielmehr geht es um Sicherung der Zukunftsfähigkeit des eigenen Unternehmens. Denn je weniger Personalbedarf ein Unternehmen hat, desto mehr Zeit und finanzielle Ressourcen verbleiben für die Mitarbeitendensuche und -bindung. Für thüringische Betreiber heißt es daher: mutig sein, neue und radikale Schritte gehen und sie den eigenen Gästen auch zutrauen.



Autorin: Marktforschung
Thüringer Tourismus GmbH
E-Mail: marktforschung@thueringen-entdecken.de
Telefon: +49 361 3742239


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